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Seemotive Buchvorstellung:
Die letzte Fahrt der Scarabea
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Die letzte Fahrt der Scarabea
von Henning Puvogel
180 Seiten, 14,5*22 cm, Efalinleinen mit farbigem Schutzumschlag,
Verlag H.M. Hauschild GmbH, Bremen,
ISBN 3-926598-22-x   Euro 18,50 / sFr 33,10
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Die Meere werden immer voller, die Schiffe werden immer weiter automatisiert, die Besatzungen verkleinert und mit
billigen Hilfskräften aus Drittländern aufgefüllt und der Ausbildungsstand auf ein Minimum an Wissen
heruntergefahren. Die Ausrüstung erfolgt mit Billiggeräten, Werftzeiten werden verschoben, Schiffe fahren unterbesetzt mit
gefälschten Papieren und
Beinah-Kollisionen sind an der Tagesordnung! Unter den Reedern sind heute "schwarze Schafe" zu finden, die um
jeden Cent feilschen, ihre Schiffe ausflaggen und sich nicht an Tarife halten. Und an Bord spielen sich
Intrigen ab, es wird gesoffen und geprügelt.
Das will uns der Autor, der selbst zur See gefahren ist und in Ich-Form schreibt, mit seinem Buch sagen.
Und das tut er auch recht drastisch!
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Auf der Brücke und im Maschinenraum
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Das Schiff, ein nur vier Jahre altes Containerschiff, wird wie folgt bezeichnet:
Rostkasten, Mißgeburt, Dreckswanne, Ascheimer, Wurtswagen, Leichenwagen etc. etc.
Auf diesem Schiff, das zwischen Buenaventura und Houston / New Orleans fährt, ist fast alles kaputt bzw. geht
auch alles kaputt. Die Klimaanlage ist monatelang ausgefallen, der Kreiselkompass bleibt stehen, das eine Radargerät
zeigt nur bei einer Einstellung milchiges Etwas an, das andere ist kaputt. Der Satellitennavigator arbeitet nur ab und zu,
die Lotsenleiter ist gesplittert, die Waschmaschine ist defekt und im entscheidenden Moment ist in der
Backbord Positionslampe die Birne durchgebrannt. Das wurde zu spät bemerkt, weil ebenfalls die Kontrolleuchten
ausgefallen waren. Das Brückentelefon war konstant kaputt.
Und dann fahren diese Jungs noch mit unterarmlangen Rissen in der Tankdecke über den
Atlantik!
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Navigation wie zu Segelschiffzeiten
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Der 1. Offizier wird vom Personalchef der Reederei beschummelt und bekommt die Heuer eines 2. Offiziers,
dem Koch werden abrupt 200.-DM vom Gehalt abgezogen, der Kapitän und der Chief teilen sich die Heuer des
2. Ingenieurs; der ist nämlich garnicht an Bord. Dafür klettert der Alte auch in den Maschinenraum, wenn
Arbeiten anfallen. Und das passiert häufig, denn die Maschine bleibt regelmässig stehen.
Die Decksmannschaft, auch unterbesetzt, wird vom Chief gegen den I.O. aufgestachelt und probt den Aufstand.
O-Ton beim Einlaufen: "Ich bind' nur noch mit an und dann bringe ich Ihnen die fristlose Kündigung!"
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Die "Scarabea", ein "Never Come Back Liner" und Seelenverkäufer unter deutscher Flagge, Ravens "Totenschiff" wird mehrfach zitiert.
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Und wie das so ist bei einem Schiff, das zwischen Kolumbien und den Staaten fährt, kommen noch weitere
Probleme dazu. Zu einem sind da die blinden Passagiere, die alle in das gelobte Land, die "Estados Unidos" wollen.
Einige schaffen es mit der "Scarabea", andere werden von der "Policia" wieder von Bord geholt.
Und die Besatzung schmuggelt Kokain, das Schiff wird wiederholt in den Staaten gefilzt. Doch die "schwarze Gang"
findet nie etwas, vermutlich weil die Hauptverdächtigen rechtzeitig achteraus segeln, d.h. desertieren.
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Das ist die logische Folge!
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Ein schwerer Sturm wird heldenhaft überstanden; doch zum Schluss wird eine der berühmten Beinahe-Kollisionen
Wirklichkeit. Die "Scarabea" rammt nachts einen zuvor unbeleuchteten Supertanker am Heck und geht unter.
Der vorgeschriebene Ausguck war und wurde wegen Personalmangel nicht besetzt.
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Und das darf auch nicht fehlen:
Beim Abschied in Deutschland von seiner Heike laufen der Hauptperson warme Tränen über die Brust.
Beim ersten Landgang in Buenaventura blickt er in einen Revolverlauf und ist anschliessend nicht mehr in der Verfassung,
sich zur geschmeidigen Esperanza ins Bett zu legen, als sie ihn bittet das Licht auszumachen. Doch auf der folgenden
Reise liebt er eine Francia "hemmungslos, fast animalisch" und wird von ihr als "specialista" auf diesem Gebiet gelobt.
Und der Schiffsjunge Joselino hat sich einen Tripper eingefangen und bekommt vier Mio. Einheiten Penicillin in seinen
braunen Hintern.
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Das Buch wird vom Verlag als Tatsachenbericht angekündigt. Der Verfasser räumt in einem Nachwort ein,
dass er authentische Erlebnisse von verschiedenen Schiffen zu verschiedenen Zeitpunkten aus Gründen der
Anschauklichkeit und der Spannung miteinander verwoben hat. Eine "Scarabea" hat es nicht gegeben.
Für einen Binnenländer ist es wohl ein recht spannendes Buch, das sich flott liest. Für
jemanden, der sich in der Seefahrt auskennt und selbst auch Fahrensmann war, ist diese Bündelung von negativen
"Tatsachen" doch "starker Tobak"!
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